Ignacy Boerner
(1875-1933), Minister für Post- und Fernmeldewesen der zweiten polnischen Republik.
Er wurde in Zduńska Wola geboren. Sein Urgroßvater Jerzy Boerner kam vermutlich nach der dritten Teilung aus Sachsen nach Płock. Sein Vater, Edward Ignacy Boerner, war evangelisch-augsburgischer Pfarrer und kämpfte im Januaraufstand 1863/64. Ignacy Boerner besuchte die Regierungsrealschule in Kalisz, wo er an geheimen Bildungszirkeln teilnahm. Er nahm in Darmstadt ein technisches Studium auf. 1898 wurde er Mitglied des Auslandsverbandes der Polnischen Sozialisten, der Auslandsvertretung der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS). 1902 kam er als ausgebildeter Ingenieur nach Warschau und setzte dort sein Engagement in der PPS fort. Während der Revolution von 1905 siedelte er nach Ostrowiec über, wo er, nach dem Rückzug der russischen Truppen aus dem Landkreis, an der Spitze der „Ostrowiec-Republik“ stand. Nach dem Scheitern der Revolution flüchtete er 1906 nach Galizien (ins österreichische Teilungsgebiet), anschließend nach Frankfurt am Main, von wo er allerdings ausgewiesen wurde. Nach seiner Rückkehr nach Galizien trat er dem Verband für den Aktiven Kampf bei und zog im August 1914 mit der Ersten Kaderkompanie an die Front. 1914/15 war er als Offizier für besondere Aufgaben Józef Piłsudski unterstellt und diente in der Nachrichtenabteilung der I. Brigade der Legionen. Er nahm als Kommandeur der Sappeure an der Schlacht bei Kostiuchnówka gegen die Russen teil. Weil er den Treueeid auf die Mittelmächte verweigerte, wurde er im Juli 1917 zusammen mit anderen Offizieren der Legionen im deutschen Kriegsgefangenenlager in Beniaminów bei Warschau interniert. Nach der Befreiung im Juni 1918 wurde er zum Leiter der Nachrichtenabteilung in der Hauptkommandantur der Polnischen Militärorganisation (POW) ernannt. Im November 1918 handelte er im Auftrag Piłsudskis mit dem deutschen Zentralen Soldatenrat eine Vereinbarung aus, wonach die zwölftausend Mann zählende deutsche Garnison Warschau friedlich verließ. Die von den Deutschen zurückgelassenen Waffen und Munition kamen den Arsenalen der im Entstehen begriffenen Polnischen Armee zugute. Während des polnisch-sowjetischen Krieges übte er verschiedene höhere Funktionen in den Stäben der Polnischen Armee aus. Auch nach Kriegsende blieb er im Staatsdienst.
1923/24 war er Militärattaché in Moskau. Später besuchte er die Höhere Militärschule und wurde, nach Abschluss der Ausbildung zum Generalstabsoffizier, zum Leiter der Militärabteilung im Ministerium für Industrie und Handel im Rang eines Obersts ernannt. 1929-1933 war er Minister für Post- und Telegrafenwesen. Auf seine Initiative hin wurde im Warschauer Vorort Babice die Wohnsiedlung Boernerowo gegründet, die nach ihm benannt wurde und bis heute existiert. Er starb am 12. April 1933.
[Quellen: Biogramm von Leon Wasilewski, in: Polski Słownik Biograficzny (Polnisches Biografisches Wörterbuch); Jerzy Kochanowski, Zapomniany prezydent. Życie i działalność Ignacego Boernera. 1875–1933 (Der vergessene Präsident. Leben und Wirken von Ignacy Boerner. 1875-1933), Warschau 1993]