Kuhnke

 

Der erste Vertreter der Familie Kuhnke, Ernst Wilhelm Kuhnke (1784–1839) kam aus Reichenbach in Schlesien (heute Dzierżoniów) nach Warschau. Er heiratete Wilhelmine Speath (1786–1849), die einer polonisierten deutschen Ärztefamilie entstammte. Kuhnke wurde Richter des Handelstribunals und betrieb zwei Geschäfte in der Krakowskie-Przedmieście-Straße, in denen er Alkohol bzw. Papier und Farben verkaufte. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor: Ludwika, Aleksander, August Robert, Wilhelm, Anna Eleonora, Józefa und Julia. 1819 tauchte der Name Ernst Kuhnkes in der Mitgliederliste der Freimaurerloge „Göttin von Eleusis” auf, wo er als deutschsprachiger Redner fungierte.


Die Söhne Wilhelm und Aleksander Kuhnke waren bei der Eisenbahn tätig – Wilhelm in Warschau als Beamter der Warschau-Wiener Eisenbahn, Aleksander in Skierniewice als Ingenieur und später als dortiger Bahnhofsvorsteher. Mit seiner Ehefrau Teofila Bobińska hatte Aleksander zwei Söhne (Aleksander Jr. und Edmund Robert) sowie zwei Töchter (Maria und Emilia). Der dritte Bruder, August Robert Kuhnke, war Beamter der Regierungsfinanzkommission sowie Ältester der Fürsorgeabteilung des Kirchenkollegs der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Warschau. Von seinen drei Kindern erreichte nur die Tochter Ludwika das Erwachsenenalter.


Von den Kindern des Ehepaars Ernst Wilhelm und Wilhelmine Kuhnke waren in Warschau vor allem die beiden jüngsten Töchter bekannt: Józefa (1823–1902) und Julia (1824–1909). Sie betrieben gemeinsam mit der Schwester Anna das bekannte Warschauer „Modemagazin“ im so genannten Malcz-Haus in der Krakowskie-Przedmieście-Straße, das heute nicht mehr steht. Der größten Popularität erfreute sich das Modegeschäft während der nationalen Trauer, die ihren Ausgang nahm von den tragischen Ereignissen, die sich während einer Kundgebung gegen die russische Teilungsmacht am 27. Februar 1861 neben und in dem Geschäft abspielten. Damals sind fünf Demonstranten getötet worden, zwei Leichen wurden im Modemagazin der Schwestern Kuhnke aufgebahrt. Nach diesen Ereignissen nähten die Schwestern, die bekannt waren für ihre patriotische Einstellung, nur schwarze und graue Kleider, deren Schnitt an traditionelle polnische Gewänder anknüpfte.


Der genannte Wilhelm Kuhnke heiratete Marianna Żmichowska (die Nichte der polnischen Unabhängigkeitsaktivistin Narcyza Żmichowska). Er nahm am Januaraufstand 1863/64 teil und wurde dafür von den Russen in der Warschauer Zitadelle inhaftiert. Eine herausragende Persönlichkeit unter den sechs Kindern war Maciej Tadeusz Kuhnke (1860–1928). Beruflich war er, wie der Vater, 30 Jahre lang mit der Warschau-Wiener Eisenbahn verbunden. Seinen Platz in der polnischen Geschichte verdankt er jedoch seinem sozialen und politischen Engagement. 1914 nahm er an der geheimen Hilfsaktion für die 1. Brigade der Polnischen Legionen teil, später war er Mitglied der Polnischen Militärorganisation POW. Nach der Unabhängigkeit Polens 1918 arbeitete er im Ministerium für Versorgung. Kuhnke spielte in den Kreisen der Unabhängigkeitskämpfer um Józef Piłsudski eine wichtige Rolle und genoss das Vertrauen Piłsudskis. Er trat den wiederbegründeten polnischen Freimaurern schwedischer Ordnung bei, bei denen er den höchsten Einweihungsgrad erreichte. Aus seiner Ehe mit Helena Kramer ging die Tochter Irena (1889–1976) hervor.


Der jüngere Bruder von Maciej Tadeusz, der Baumeister Wilhelm Filip Kuhnke (1865–1925) heiratete Janina Babińska (1862–1912). Sie hatten zwei Söhne, Stanisław Edmund und Tadeusz Jan. Ersterer studierte Jura an der Warschauer Universität und war Experte für Zivilrecht. Er heiratete Anna Dytel, sie hatten drei Kinder: Tadeusz, verstorben im Kindesalter, Anna (verheiratet mit Janusz Kiersnowski) und Teresa (verheiratet mit Jacek Arkuszewski). Der zweite Sohn, Tadeusz Jan Kuhnke, schloss 1931 die Fakultät für Landingenieurswesen der Technischen Hochschule in Warschau ab. Seine berufliche Karriere begann er bei der Firma „Skąpski & Co“, dann war er für die Gesellschaft für Metallindustrie „K. Rudzki & Co“ in Warschau tätig, wo er bis 1948 blieb. Anschließend arbeitete er für die U-Bahn-Bauverwaltung und für deren Technischem Rat. Zu seinen wichtigsten Bauausführungen gehören u.a. die Fundamente des höchsten Warschauer Vorkriegsgebäudes „Prudential“ (1931/32) sowie Viadukte und Hafengebäude in Gdingen (1932-1934). 1928 heiratete er Janina Mosz, sie hatten zwei Söhne: Tomasz Stanisław (1932–1988), Absolvent der Fakultät für Sanitäringenieurwesen der Technischen Hochschule in Warschau, und Maciej (geb. 1938), der an der Zootechnik-Fakultät der Landwirtschaftlichen Hochschule studiert hat. Er hat zwei Kinder: die Tochter Joanna (geb. 1979) und den Sohn Witold (geb. 1989). Tomasz Stanisław Kuhnke hatte mit seiner Ehefrau Stefania Pokorska einen Sohn, Marcin Wilhelm Kuhnke (geb. 1962). Er heiratete Monika Kochańska (geb. 1964), sie haben zwei Söhne: Maksymilian Tadeusz (geb. 1996) und Michał August (geb. 2007). (MK)
 

 

Ernest Wilhelm Kuhnke. MK

 

Wilhelm Kuhnke (1819–1889) mit Sohn Maciej Tadeusz. MK

 

Wilhelmina Kuhnke mit den Töchtern Julia, Józefa und Anna. MK

 

Józefa Kuhnke. MK

 

Julia Kuhnke. MK

 

Julia, Józefa und Anna Eleonora Kuhnke in ihrem Modegeschäft im Malcz-Haus (Krakowskie-Przedmieście-Straße 76); im Hintergrund die Werkstatt, vor...

 

Das Malcz-Haus mit dem Modegeschäft in der Krakowskie-Przedmieście-Straße, vor 1865. Bild: Karol Beyer. MNW

 

Abriss des Malcz-Hauses, 1865. Bild: Karol Beyer. MNW

 

Ausflug der Polnischen Heimatkundlichen Gesellschaft nach Pieskowa Skała bei Krakau 1910. In der Mitte sitzt Helena Cramer (Kramer), darüber steht...

 

Die Familie Kuhnke: Wilhelm und Monika Kuhnke mit ihren Söhnen Maksymilian Tadeusz und Michał August. MK